Ersatzmaßnahmen für Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch WindenergieanlagenLeitsätze 1. Ersatzmaßnahmen (§ 15 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG) sind auf eine gleichwertige (nicht gleichartige) Wiederherstellung beeinträchtigter Funktionen des Naturhaushalts und des Landschaftsbildes gerichtet. Als Ersatz genügt die Herstellung ähnlicher, mit den beeinträchtigten nicht identischer Funktionen (wie BVerwG, Urt. v. 15.01.2004 - 4 A 11/02 - BVerwGE 120, 1, 16, und BVerwG, Urt. v. 22.11.2016 - 9 A 25/15 - Buchholz 406.403 § 15 BNatSchG 2010 Nr 6 Rn. 21). 2. Beim Ersatz für eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes genügt es für die Eignung als Ersatzmaßnahme in räumlicher Hinsicht, wenn die Maßnahme im betroffenen Naturraum belegen ist (im Anschluss an BVerwG, Urt. v. 17.08.2004 - 9 A 1/03 - NuR 2005, 177, und BVerwG, Urt. v. 22.11.2016 - 9 A 25/15 - Buchholz 406.403 § 15 BNatSchG 2010 Nr 6 Rn. 21). 3. Der Ersatz einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes ist nicht ausschließlich durch Maßnahmen möglich, die in der Art und Weise ihrer Wirkung auf das Landschaftsbild die Wirkung des Eingriffs „spiegelbildlich“ kompensieren. Vielmehr kommen auch Ersatzmaßnahmen in Betracht, die in anderer Art und Weise und mit Bezug auf andere die Landschaftswahrnehmung bestimmende Faktoren positiv auf das Landschaftsbild einwirken. 4. Der Ersatz einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen beschränkt sich nicht auf die Beseitigung von im betroffenen Naturraum vorhandenen vertikalen Strukturen. - A.
Problemstellung Nach § 15 BNatSchG ist der Verursacher eines Eingriffs in Natur und Landschaft verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen. Sind Beeinträchtigungen unvermeidbar, ist der Verursacher verpflichtet, diese Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen oder zu ersetzen. Erst wenn Beeinträchtigungen nicht (real) auszugleichen oder zu ersetzen sind und ein Eingriff nach Abwägung der betroffenen Belange zugelassen oder durchgeführt wird, hat der Verursacher Ersatz in Geld zu leisten. Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in den §§ 13 ff. BNatSchG ist demnach vorrangig darauf gerichtet, die ökologische Gesamtbilanz zu erhalten. Ersatzzahlungen für Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft erfolgen nur nachrangig (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.09.2014 - 7 B 7/14 Rn. 18). (Erhebliche) Eingriffe in die Landschaft i.S.d. §§ 13 ff. BNatSchG gehen auch mit der Errichtung von Windenergieanlagen einher. Auch diese Eingriffe sind nach § 15 BNatSchG vorrangig auszugleichen oder zu ersetzen. Teile der Literatur und Rechtsprechung gehen aber davon aus, dass Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen grundsätzlich nur durch einen Rückbau von Bauwerken ersetzt werden können, die in der Landschaft wie eine Windenergieanlage wirken (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 31.03.2023 - OVG 3a A 47/23 Rn. 38 m.w.N.). Auch nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BKompV sind Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes, die von mehr als 20 Meter hohen Mast-, Turm- oder sonstigen Hochbauten verursacht werden, in der Regel nicht ausgleichbar oder ersetzbar, es sei denn, in räumlichem Zusammenhang erfolgt ein Rückbau bestehender Mast- und Turmbauten. Das führt in der Verwaltungspraxis vielfach dazu, dass für die Errichtung von Windenergieanlagen anstelle von Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen Ersatzzahlungen geleistet werden. Das BVerwG beschäftigt sich in der hier besprochenen Entscheidung vom 12.09.2024 damit, ob dies mit der naturschutzrechtliche Eingriffsregelung vereinbar ist.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung I. Die Klägerin wandte sich gegen die Festsetzung einer Ersatzzahlung für die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch eine Windenergieanlage. Mit Bescheid vom 17.02.2021 erteilte der Beklagte der Klägerin die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung einer Windenergieanlage und setzte für Eingriffe in Natur und Landschaft eine Ersatzzahlung von insgesamt 65.270 Euro fest, davon 8.020 Euro für den Eingriff in das Schutzgut Boden und 57.250 Euro für den Eingriff in das Landschaftsbild. Dem Antrag der Klägerin, als Ersatz für den Eingriff in das Landschaftsbild einen Rückbau von Stallanlagen und die Anpflanzung von Gehölzgruppen in ca. 11 km Entfernung von dem Standort der Windenergieanlage zuzulassen, kam der Beklagte nicht nach. Den Widerspruch der Klägerin gegen die Festsetzung der Ersatzzahlung wies der Beklagte zurück. Die daraufhin erhobene Klage hat das OVG abgewiesen. Aufgrund der erheblichen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch die Windenergieanlage, die aus deren enormer Gesamthöhe von 229 m und der weithin sichtbaren technogenen Überformung folge, werde durch die beantragte Ersatzmaßnahme keine landschaftsgerechte Neugestaltung vorgenommen, die die Wirkungen des Eingriffsvorhabens in den Hintergrund treten lasse. II. Das BVerwG hat das Urteil des OVG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Die Anforderungen, die das OVG an Ersatzmaßnahmen für die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch eine Windenergieanlage gestellt habe, seien mit den §§ 13 ff. BNatSchG nicht vereinbar. Ersatzmaßnahmen für Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes müssten qualitativ und quantitativ im betroffenen Naturraum Ersatz schaffen. Dieser Ersatz sei nicht ausschließlich durch Maßnahmen möglich, die in ihrer Wirkung auf das Landschaftsbild die Wirkung des Eingriffs „spiegelbildlich“ kompensieren würden. Vielmehr kämen auch Ersatzmaßnahmen in Betracht, die in anderer Art und Weise und mit Bezug auf andere die Landschaftswahrnehmung bestimmende Faktoren positiv auf Vielfalt, Eigenart, Schönheit sowie Erholungswert einer Landschaft einwirkten. Mit Blick auf Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen ergebe sich daraus, dass sich Ersatzmaßnahmen nicht auf die Beseitigung von im betroffenen Naturraum vorhandenen vertikalen Strukturen beschränkten. Ein Eingriff werde nicht nur durch die Beseitigung von in Höhe oder Kubatur vergleichbaren Strukturen kompensiert. Vielmehr kämen auch vielfältige andere Maßnahmen, die sich nach der Wahrnehmung eines aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters im betroffenen Naturraum positiv auswirkten, als Ersatzmaßnahmen für Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen in Betracht. Insoweit komme es auch nicht maßgeblich auf den optischen Bezug der Ersatzmaßnahme zum Eingriff oder eine vergleichbare Flächenwirkung an. Mit diesen bundesrechtlichen Maßstäben stehe das Urteil des OVG nicht in Einklang. Denn das OVG habe angenommen, die beantragten Maßnahmen (Rückbau von Stallanlagen und die Anpflanzung von Gehölzgruppen in ca. 11 km Entfernung von dem Vorhabenstandort) erfüllten nicht die Anforderungen an geeignete Ersatzmaßnahmen, weil sie nicht auch den Rückbau eines Bauwerks mit vertikaler Struktur umfassten.
- C.
Kontext der Entscheidung Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG stehen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen gleichwertig nebeneinander. Beide Formen der sog. Realkompensation zielen jeweils auf die vollständige Kompensation des Eingriffs (OVG Lüneburg, Urt. v. 10.01.2017 - 4 LC 198/15 Rn. 99). Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen unterscheiden sich aber im Hinblick auf ihren Zusammenhang mit dem Eingriff, für den sie erfolgen. Eine Beeinträchtigung ist gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG ausgeglichen, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in gleichartiger Weise wiederhergestellt und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist. Der Ausgleich muss daher inhaltlich die beeinträchtigten Funktionen möglichst identisch wiederherstellen (OVG Lüneburg, Urt. v. 10.01.2017 - 4 LC 198/15 Rn. 99). Ausgleichsmaßnahmen müssen räumlich außerdem nicht notwendig am Ort des Eingriffs erfolgen, sich aber dort noch auswirken, wo die Beeinträchtigungen auftreten (BVerwG, Urt. v. 24.03.2011 - 7 A 3/10 Rn. 44). Nach § 15 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG ist eine Beeinträchtigung ersetzt, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in dem betroffenen Naturraum in gleichwertiger Weise hergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht neu gestaltet ist. In Abgrenzung zu Ausgleichsmaßnahmen genügt für Ersatzmaßnahmen die Herstellung ähnlicher, mit den beeinträchtigten nicht identischer Funktionen (BVerwG, Urt. v. 15.01.2004 - 4 A 11/02 Rn. 67 und BVerwG, Urt. v. 22.11.2016 - 9 A 25/15 Rn. 21). Die Anforderungen an den räumlichen Bezug zwischen Eingriffsort und Ort der Ersatzmaßnahme sind ebenfalls großzügig auszulegen (BVerwG, Urt. v. 17.08.2004 - 9 A 1/03 Rn. 23). Für die Eignung als Ersatzmaßnahme genügt es in räumlicher Hinsicht, wenn die Maßnahme im betroffenen Naturraum gelegen ist (BVerwG, Urt. v. 12.09.2024 - 7 C 3/23 Rn. 12).
- D.
Auswirkungen für die Praxis Das BVerwG hat klargestellt, dass auch bei der Errichtung von Windenergieanlagen der in § 15 BNatSchG geregelte Vorrang der Realkompensation durch Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen vor Ersatzzahlungen (strikt) zu beachten ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Ersatzmaßnahmen für Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes dem Eingriff nicht nach Art und Ausmaß „spiegelbildlich“ entsprechen müssen. Der Ersatz einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen beschränkt sich deshalb nicht auf die Beseitigung baulicher Anlagen, die ihrer Höhe und Kubatur nach mit der Windenergieanlage vergleichbar sind. Das eröffnet den Vorhabenträgern einen Spielraum bei ihren Angaben zu Ersatzmaßnahmen, die im Verfahren gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG vorzulegen sind. Diesen Spielraum hat aber auch die Behörde bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen, ob ein Eingriff durch die angegebenen Maßnahmen ersetzt werden kann oder eine Ersatzzahlung zu leisten ist.
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