I. Einleitung
Sparkassen sind Wirtschaftsunternehmen in öffentlich-rechtlicher Rechtsform und bilden (mit den Landesbanken) eine der drei Säulen des deutschen Bankensektors (bestehend aus Privatbanken, öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten und Genossenschaftsbanken)1. Sie sind rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts, die ihre Rechtsgrundlage im Sparkassenrecht der einzelnen Bundesländer haben.2 Sparkassen sind ähnlich wie AGs mit einem dualistischen Leitungsmodell ausgestattet: Der Vorstand leitet die Sparkasse, der Verwaltungsrat überwacht wiederum den Vorstand. Der Verwaltungsrat einer Sparkasse ist dabei ihr oberstes Organ, vgl. etwa § 5 Satz 1 des Hessischen Sparkassengesetzes (HessSpkG). Neben seiner Überwachungstätigkeit bestimmt er insbesondere die Richtlinien der Geschäftspolitik der Sparkasse. Der Verwaltungsrat, vertreten durch seinen Vorsitzenden, vertritt die Sparkasse ferner gegenüber den Vorstandsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich.
Die Zusammensetzung der Verwaltungsräte von Sparkassen ergibt sich ebenfalls aus den einzelnen Sparkassengesetzen der Bundesländer. Beispielsweise heißt es in § 5a Abs. 1 HessSpkG: „Der Verwaltungsrat besteht aus 1. dem Vorsitzenden, 2. fünf, sieben oder neun weiteren sachkundigen Mitgliedern, die der Vertretungskörperschaft, dem Verwaltungsorgan oder gesellschaftlich relevanten Gruppen angehören, 3. entsprechend der jeweiligen Zahl der Verwaltungsratsmitglieder in Nr. 2 drei, vier oder fünf Dienstkräften der Sparkasse“. Abweichungen hiervon sind für größere Sparkassen mit mindestens 250 Beschäftigten, zeitweilig auch für fusionierte Sparkassen und für Sparkassen mit Genussrechtskapital in den §§ 5a Abs. 2 und Abs. 3, 23 HessSpkG geregelt.
Träger der Sparkassen sind regelmäßig Gemeinden oder Gemeindeverbände (kommunale Sparkassen) bzw. ein kommunaler Zweckverband (Zweckverbandssparkassen). Teilweise lassen einzelne Sparkassengesetze der Bundesländer zudem auch die Trägerschaft einer Stiftung (Stiftungssparkassen) oder zumindest temporär auch von regionalen Sparkassen- und Giroverbänden (Verbandssparkassen) zu. Weit überwiegend liegt jedoch eine kommunale Verankerung (kommunale oder Zweckverbandssparkasse) vor, so dass viele Verwaltungsräte von Sparkassen kommunale Vertreter von/aus Städten und Gemeinden, Landkreisen oder Zweckverbänden sind.3 Gerade ihre fachliche Kompetenz für die Überwachungstätigkeit steht seit jeher in der Diskussion.4
Jedenfalls lässt sich festhalten, dass die Sparkassengesetze der Bundesländer mit Blick auf die fachliche Kompetenz von Verwaltungsräten der Sparkassen, wie gezeigt, oftmals lediglich Sachkunde5 voraussetzen („sachkundige Mitglieder“). Sachkunde bedeutet, ein theoretisches Grundlagenwissen zu besitzen, mit dem die Tätigkeitsfelder der Sparkasse mit ihren Chancen und Risiken erkannt und die Geschäfte und die wirtschaftliche Lage der einzelnen Sparkasse beurteilt werden können.6 Die Sachkunde muss dabei derart fundiert sein, dass das jeweilige Verwaltungsratsmitglied die Arbeit des Vorstands der Sparkasse ohne fremde Hilfe überprüfen und etwaig vorhandene Mängel darin aufdecken kann.7 Darüber hinaus dürften landesrechtlich keinerlei Vorgaben bestehen, denn mangels einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung des Bundeslandes selbst an einzelnen Sparkassen innerhalb des Bundeslandes ist der jeweilige Public Corporate Governance Kodex8 mit ggf. weiteren Anforderungen an das Überwachungsorgan typischerweise nicht anwendbar.
Europäische Vorgaben wie der EZB-Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit9 und die EBA-Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen10 sind bei deutschen Sparkassen, die nicht dem einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus (SSM) unterliegen – das sind fast alle –, nicht anwendbar. Gleichwohl ist der Trend erkennbar, dass diese europäischen Aufsichtsvorgaben zunehmend das rein nationale Aufsichtshandeln ausformen und anleiten.
Fraglich bleibt dann noch, welche weiteren Anforderungen es an die fachliche Kompetenz von Verwaltungsräten der Sparkassen nach Bundesrecht gibt.
II. Problemaufriss
Unbestritten ist aufgrund der unter I. skizzierten landesrechtlichen Fundierung der Sparkassen-Verwaltungsräte, dass diese jedenfalls über Sachkunde verfügen müssen. Da Sparkassen aber obzwar ihrer Rechtsform aufgrund des gewerbsmäßigen und umfangreichen Betreibens von Bankgeschäften stets auch Kreditinstitute i.S.d. §§ 1 Abs. 1, 32 KWG sind, gelten für Verwaltungsräte von Sparkassen immer auch weitere aufsichtsrechtliche Vorgaben, welche über das Sachkundeerfordernis hinausreichen.
Insoweit bestimmt zunächst § 25d Abs. 1 KWG kontextbezogen, dass Mitglieder von Verwaltungsräten die erforderliche Sachkunde zur Wahrnehmung der Kontrollfunktion sowie zur Beurteilung und Überwachung der Geschäfte, die das jeweilige Unternehmen betreibt, besitzen müssen, wobei beim Sachkundeerfordernis die spezifische Geschäftstätigkeit Berücksichtigung findet. Ähnlich zu den landesrechtlichen Sachkundevorgaben bedeutet Sachkunde hier, dass Mitglieder eines Verwaltungsrats individuell in der Lage sein müssen, die getätigten Geschäfte zu verstehen, deren Risiken zu beurteilen und nötigenfalls Änderungen in der Geschäftsführung durchzusetzen.11 Das Mitglied muss ferner mit den einschlägigen wesentlichen gesetzlichen Regelungen vertraut sein; grundsätzlich müssen keine Spezialkenntnisse vorliegen, jedoch muss das Mitglied in der Lage sein, ggf. seinen Beratungsbedarf zu erkennen.12 Die individuelle Sachkunde kann durch (Vor-)Tätigkeiten in derselben Branche vorhanden sein, bei geborenen (kommunalen) Mitgliedern etwa durch die Ausübung von Tätigkeiten in nicht unwesentlichem Umfang mit Ausrichtung auf wirtschaftliche und rechtliche Fragestellungen eingetreten sein (wobei immer noch theoretische Bankkenntnisse nachzuweisen sind), oder aber durch entsprechend zertifizierte Fortbildung erworben werden, wobei stets auch Weiterbildung zur Aufrechterhaltung der individuellen Sachkunde erforderlich ist.13 Spätestens soll diese Sachkunde in der Regel sechs Monate nach Bestellung im Wege der Fortbildung vorhanden sein.14
Nach § 25d Abs. 2 Satz 1 KWG gibt es weitere Vorgaben im Hinblick auf eine zusätzlich erforderliche kollektive Sachkunde. Insoweit muss der Verwaltungsrat in seiner Gesamtheit die Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen haben, die zur Wahrnehmung der Kontrollfunktion sowie zur Beurteilung und Überwachung der Geschäftsleitung des Instituts notwendig sind. Diese kollektive Sachkunde kann auch dann vorliegen, wenn einzelne Mitglieder nicht über diese umfassenden finanztechnischen Kenntnisse verfügen.15 Erforderlich ist das Fachwissen jedenfalls nur in einem Umfang, der zur Mitwirkung an der Kollektiventscheidung des Verwaltungsrats befähigt.16
Fraglich ist aber nun, ob es über die KWG-Gehalte hinaus neuerdings auch weitere Anforderungen aus dem Bundesrecht hinsichtlich der fachlichen Kompetenz von Verwaltungsräten der Sparkassen gibt.
III. Anwendbarkeit auch von § 100 Abs. 5 AktG auf Verwaltungsräte von Sparkassen?
Am 01.07.2021 ist das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz - FISG) in Kraft getreten. Seither ist § 100 Abs. 5 AktG wie folgt gefasst:
„Bei Gesellschaften, die Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 316a Satz 2 HGB sind, muss mindestens ein Mitglied des Aufsichtsrats über Sachverstand auf dem Gebiet Rechnungslegung und mindestens ein weiteres Mitglied des Aufsichtsrats über Sachverstand auf dem Gebiet Abschlussprüfung verfügen; die Mitglieder müssen in ihrer Gesamtheit mit dem Sektor, in dem die Gesellschaft tätig ist, vertraut sein“.
Den Zeitpunkt des Beginns klärt dabei der neue Art. 16 des FISG zum EGAktG:
„Dem § 12 wird folgender Abs. 6 angefügt: (6) § 100 Abs. 5 und § 107 Abs. 4 Satz 2 AktG in der jeweils ab dem 01.07.2021 geltenden Fassung müssen so lange nicht angewandt werden, wie alle Mitglieder des Aufsichtsrats und des Prüfungsausschusses vor dem 01.07.2021 bestellt worden sind.“
Fraglich ist dabei, ob/wann die Anforderungen des § 100 Abs. 5 AktG nun auch für Verwaltungsräte von Sparkassen gelten. Jedenfalls lässt sich prima vista feststellen, dass § 100 Abs. 5 AktG über die Vorgaben aus § 25d KWG hinausreicht. Sofern § 100 Abs. 5 AktG auch auf Verwaltungsräte von Sparkassen anwendbar sein sollte, müsste individuell mindestens ein Verwaltungsratsmitglied jeweils über Kenntnisse der Rechnungslegung und Abschlussprüfung verfügen und kollektiv müsste eine Sektorenkenntnis (Banken und Sparkassen) vorhanden sein. Der hier erforderliche Sachverstand setzt jedoch nicht zwingend voraus, dass ein Mitglied des Überwachungsorgans einem steuerberatenden oder wirtschaftsprüfenden Beruf angehört, vielmehr kann der Sachverstand auch durch entsprechende Weiterbildung erworben werden.17
Damit § 100 Abs. 5 AktG auch auf Verwaltungsräte von Sparkassen anwendbar ist, müssten Sparkassen jedenfalls als „Gesellschaften, die Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 316a Satz 2 HGB sind“, anzusehen sein. Problematisch ist dabei bereits der Gesellschaftsbegriff, denn Anstalten des öffentlichen Rechts sind von vornherein eigentlich nicht als Gesellschaften zu verstehen. Denn Gesellschaften gleich welcher Rechtsform weisen die drei konstitutiven Merkmale aus § 705 Abs. 1 BGB auf: Personenmehrheit, Gesellschaftsvertrag, Förderung eines gemeinsamen Zwecks. Demgegenüber ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts eine mit einer öffentlichen Aufgabe betraute juristische Person des öffentlichen Rechts, deren Aufgaben ihr durch Gesetz oder Satzung zugewiesen worden sind.18 Anstalten weisen auch keine Gesellschafter (Mitglieder) auf, sondern Nutzer. Die Gesetzesmaterialen zum FISG schweigen jedenfalls dazu, ob der Begriff der Gesellschaft womöglich anders zu verstehen ist als üblich. Vielmehr wird dort rundweg auf § 316a Satz 2 HGB verwiesen.
In § 316a Satz 2 HGB heißt es: „Unternehmen von öffentlichem Interesse sind Unternehmen, die …“, wonach drei Nummern als Aufzählung erfolgen: Kapitalmarktorientierte Unternehmen i.S.d. § 264d HGB (Nr. 1), CRR-Kreditinstitute im Wesentlichen i.S.d. § 1 Abs. 3d Satz 1 KWG (Nr. 2) und bestimmte Versicherungsunternehmen (Nr. 3). Auf den ersten Blick scheinen Sparkassen unter die Nr. 2 zu fallen, somit CRR-Kreditinstitute zu sein. Denn CRR-Kreditinstitute sind nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 der CRR Unternehmen, deren Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite auf eigene Rechnung zu gewähren. In Deutschland ist damit jedes Kreditinstitut, das eine Vollbanklizenz besitzt, auch ein CRR-Kreditinstitut.19
Allerdings wird damit der Zusatz „Gesellschaften“ in § 100 Abs. 5 AktG noch nicht aufgelöst. Selbst wenn § 316a Satz 1 HGB („bei Kapitalgesellschaften, die Unternehmen von öffentlichem Interesse sind“), in systematischer Hinsicht außer Acht gelassen wird, da § 100 Abs. 5 AktG eben nicht auf Satz 1 verweist, so bleibt dennoch der allgemeinere Zusatz „Gesellschaft“ zu beachten. Dabei gilt es allerdings, in teleologischer Hinsicht die Stoßrichtung des FISG zu beachten. So hat der Gesetzgeber das FISG gerade nach dem Wirecard-Skandal geschaffen, um künftig Manipulationen von Bilanzen von Kapitalmarktunternehmen besser verhindern und damit den Finanzmarkt wirksam schützen zu können.20 Um die Verhinderung von Bilanzmanipulationen bei Nicht-Kapitalmarktunternehmen wie Sparkassen ging es dagegen ausdrücklich nicht. Ohnehin sind aus der Vergangenheit keinerlei Bilanzmanipulationen bei Sparkassen bekannt geworden. Zudem ist das System der Bilanzkontrolle bei Sparkassen, für welche die Prüfungsstellen der Sparkassen- und Giroverbände verantwortlich zeichnen, mit einem intensiveren Prüfungsgrad21 ausgestaltet als es bei der Bilanzkontrolle von Kapitalmarktunternehmen durch externe Wirtschaftsprüfer der Fall ist. Demzufolge besteht bei Sparkassen kein derart großer Versatz an Kenntnissen und Informationen hinsichtlich des zwischen Vorstand und Prüfungsstelle angesiedelten Bindeglieds Verwaltungsrat, den es mit weiterer fachlicher Professionalisierung ebenso zu schließen gälte wie es nach den Erfahrungen mit Wirecard bei Kapitalmarktunternehmen im Verhältnis Vorstand/Aufsichtsrat/externe Wirtschaftsprüfer erforderlich war.
IV. Fazit
Insgesamt zeigt sich, dass § 100 Abs. 5 AktG für Verwaltungsräte von Sparkassen nicht gilt. Das System kommunal entsendeter Verwaltungsratsmitglieder als Ausfluss der demokratischen Legitimierung durch Wahlen erscheint weiter stimmig. Etwaigen Bedenken bezüglich der fachlichen Kompetenz von Verwaltungsratsmitgliedern kann mit Verweis auf angemessene Fort- und Weiterbildung entgegengetreten werden. In der Praxis erfolgt diese typischerweise über den regionalen Sparkassen- und Giroverband.