Corona & WEG-Recht:
10 aktuelle Antworten für Wohnungseigentümer und Verwalter

Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie für Wohnungseigentümer, für ihre Versammlungen und Beschlüsse? Welche Maßnahmen müssen Verwalter ergreifen? Das WEG-Recht ist aktuell gesetzlichen Änderungen unterworfen – zum einen greift das am 25.03.2020 vom Bundestag angenommene Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, zum anderen hat das Bundeskabinett am 23.03.2020 den Gesetzesentwurf zum Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) beschlossen.

Der Beitrag behandelt ein wegen der sich stets verändernden Krisenlage hochaktuelles Thema. Nach Erscheinen können sich sehr schnell Änderungen der Sach- und Rechtslage ergeben. Unser Interviewpartner gibt die ihm bekannte Sach- und Rechtslage mit Stand vom 25.03.2020 wieder.

Wir bedanken uns bei Dr. Oliver Elzer, Richter am Kammergericht, für die freundliche Beantwortung der aktuellen Fragen zum WEG-Recht im Rahmen eines Interviews. Dr. Elzer ist u.a. Mitherausgeber des AnwaltZertifikatOnline Miet- und Wohnungseigentumsrecht und ständiger Autor des Miet-Rechtsberater (MietRB).

Corona und WEG

1. Können Wohnungseigentümer-Versammlungen bei Ausgangssperre oder Kontaktverbot stattfinden?

Versammlungen können nur stattfinden, soweit die gesetzlichen Bestimmungen Versammlungen überhaupt zulassen. Soweit mir die entsprechenden aktuellen Verordnungen bekannt sind, kann man das vorübergehend aber ausschließen. Etwa in der aktuellen Berliner Verordnung über erforderliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Berlin vom 22. März 2020 sind nach deren § 1 öffentliche und nichtöffentliche Veranstaltungen, Versammlungen, Zusammenkünfte und Ansammlungen verboten. Die anderen Länder haben sehr ähnliche Bestimmungen getroffen. Auf die Frage, ob es eine Ausgangssperre oder Kontaktverbot gibt, kommt es also in der Regel gar nicht an. Aber auch diese beiden Instrumente führen offensichtlich dazu, dass zurzeit auch faktisch keine Versammlungen stattfinden können.

2. Können die Wohnungseigentümer zurzeit auch ohne Eigentümerversammlung Beschlüsse fassen?

Das Wohnungseigentumsgesetz kennt in seinem § 23 Abs. 3 WEG den so genannten schriftlichen Beschluss. Diese Bestimmung setzt voraus, dass alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu einem Beschluss schriftlich erklären. Diese Strenge führt in der Praxis dazu, dass es jedenfalls in größeren Wohnungseigentumsanlagen, sei es aus Desinteresse, sei es aus Unwissenheit oder aus Unwillen, in der Regel nicht zu einem schriftlichen Beschluss kommt. Die jetzt anstehende WEG-Reform will diese Norm leicht ändern, nämlich die Textform zulassen. Dies wird z.B. Abstimmungs-Apps erlauben. Entgegen etwa von mir unterbreiteten Vorschlägen ist bislang aber leider nicht vorgesehen, das notwendige Quorum wenigstens leicht herabzusetzen. Die aktuelle Lage zeigt, dass dieser Punkt im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch einmal angeschaut werden sollte.

3. Was gilt für Abrechnungen, die in der Eigentümerversammlung zu beschließen sind?

Wir müssen es vorübergehend akzeptieren, dass es keine Abrechnungen geben wird. Das ist aber auch nicht weiter schlimm. Mit der Abrechnung werden im Kern nämlich nur die Abrechnungsspitzen beschlossen und als Forderung begründet. Viel wesentlicher sind daher die Wirtschaftspläne. Hier wird § 6 Abs. 2 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie helfen. Benötigt ein Wohnungseigentümer für eine eigene Abrechnung Daten, etwa wenn er Vermieter ist, muss er den Verwalter um diese bitten oder dessen Räume aufsuchen. Das ist aber keine Besonderheit. So ist es bei vermietenden Wohnungseigentümern grundsätzlich. Braucht ein Wohnungseigentümer für die Finanzbehörden Daten, wird ihm dieses Vorgehen im Übrigen auch nicht erspart bleiben.

4. Wäre eine Online-Versammlung der Eigentümer sinnvoll?

Eine Online-Versammlung (oder virtuelle Versammlung) kann durchaus Vorteile haben. Die von mir bereits erwähnte WEG-Reform will hierfür auch eine Möglichkeit schaffen. Es soll beschlossen werden können, dass Wohnungseigentümer an der Versammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können. Dies ist zwar auch keine Online-Versammlung, sondern eine Präsenz-Versammlung, an der man an einem anderen Ort teilnehmen kann. Ferner liegt es in der Hand der Wohnungseigentümer, was sie erlauben wollen. Es ist aber ein Schritt hin zu einer Online-Versammlung. Dabei muss man allerdings bedenken, dass die Zusammensetzung der meisten Gemeinschaften sehr heterogen ist und viele aktuelle Wohnungseigentümer nicht einmal über einen Internetzugang verfügen oder jedenfalls mit aktuellen Medien nicht ausreichend vertraut sind. Im geltenden Recht sind Online-Versammlungen im Übrigen, sind sie nicht vereinbart, unzulässig. Im Übrigen dürfte selbst eine Gesetzesänderung nichts an der Zusammensetzung der Gemeinschaften ändern können und wird auch nicht in der Lage sein, die Verwalter gleichsam über Nacht zu ertüchtigen, das notwendige Equipment zu stellen. Hier wird man Geduld haben und wird Knowhow aufbauen müssen.

5. Welche Pflichten haben die Wohnungseigentümer bzw. deren Verwalter zur Vermeidung von Infektionen in der Wohnungseigentumsanlage?

Die Wohnungseigentümer müssen sich an die gesetzlichen Bestimmungen halten, die für jedermann gelten. Da gibt es keine Besonderheiten. Die Wohnungseigentümer sollten aber natürlich auf ihre Miteigentümer und Fremdnutzer Rücksicht nehmen. Wenn ein Wohnungseigentümer z.B. an einer hoch ansteckenden Krankheit leidet, sollte er daraus kein Geheimnis machen und für sich und andere das Notwendige veranlassen.
Für Verwalter gilt nichts anderes. Das Gesetz richtet also auch an sie keine besonderen Anforderungen. Jeder Verwalter sollte allerdings nach allgemeinen Überlegungen dafür Sorge tragen, dass etwa durch E-Mail, aber auch durch Anschreiben oder Aushänge auf die elementaren Regelungen (Abstand, Händewaschen, Kontakt vermeiden usw.) und die aktuellen Bundes- und Landesbestimmungen hingewiesen wird. Hausmeister und Dienstleister, z. B. für die Außenanlagen oder die Reinigung des Treppenhauses, sollten entsprechend angewiesen werden. Unter anderem die Handläufe und Knäufe sollten beispielsweise besonders gereinigt werden. Was im Detail gilt, ist mit den Dienstleistern zu besprechen. Im Einzelfall wird es auch zu prüfen sein, vorübergehend die Frequenz und Intensität der Hausreinigung zu überprüfen. Zu einem aktiven Infektionsschutz ist der Verwalter aber nicht verpflichtet. Anders ist es bei behördlichen Anforderungen, beispielsweise, soweit landesrechtlich vorgesehen, die Sperrung von Spielplätzen oder anderen Flächen. Ferner kann der Verwalter Auskünfte schulden.



RiKG Dr. Oliver Elzer

  • Richter am Kammergericht sowie am Berliner Anwaltsgerichtshof
  • Schwerpunkte: neben dem Verfahrens- und Gesellschaftsrecht das Wohnungseigentums-, Miet- und Bauträgerrecht
  • Kommentator und Fachbuchautor zu den genannten Themen, Mitglied im Redaktionsbeirat der ZMR und ständiger Autor u.a. bei IBR, InfoM, IMR, NJW, NZM und des MietRB
  • Mitherausgeber des AnwaltZertifikatOnline Miet- und Wohnungseigentumsrecht
  • Website: www.oliverelzer.de

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6. Ergeben sich für den Verwalter besondere Verpflichtungen, wenn im Objekt Infektionsfälle auftreten?

Kommt es wegen der Corona-Pandemie in einer Wohnungseigentumsanlage zu Todesfällen oder erkranken Wohnungseigentümer am SARS-CoV-2-Virus, ist es grundsätzlich die Aufgabe des Wohnungseigentümers oder der Angehörigen und der Behörden, das Notwendige zu veranlassen. Aufgabe des Verwalters ist es, diese Schritte angemessen zu begleiten und zu fördern. Wird einem Verwalter ein Todesfall bekannt, sollte er die Angehörigen, soweit möglich und soweit Adressen bekannt sind und unter Wahrung des Datenschutzes bekannt sein dürfen, und die Behörden aber hiervon unterrichten. Der Verwalter kann ferner anregen, dass Nachbarn untereinander die Adressen von Angehörigen austauschen und ihm diese Adressen in einem Todesfall mitteilen. Nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe d) DSGVO (Schutz der lebenswichtigen Interessen einer anderen natürlichen Person) ist der Verwalter im besonders gelagerten Einzelfall außerdem wohl auch berechtigt, auf Corona-Fälle in der Wohnungseigentumsanlage unter Nennung des Namens hinzuweisen, z. B. wenn sich die Person gegenüber dem Schutz Dritter völlig uneinsichtig zeigt. Im Übrigen können die Ordnungsbehörden natürlich an die Wohnungseigentümer, aber vor allem an den Verwalter besondere Pflichten herantragen.

7. Bleibt der Verwalter aktuell im Amt, wenn seine Bestellungszeit abläuft?

Ja. Diesen Fall regelt jetzt § 6 Abs. 1 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie. Diese Bestimmung setzt § 26 Abs. 1 Satz 2 WEG vorübergehend außer Kraft. Läuft also die Bestellungszeit eines Verwalters im Jahr 2020 oder später ab, bleibt die entsprechende Person auch ohne einen Beschluss der Wohnungseigentümer zunächst weiterhin Verwalter. Diese Fortgeltung dürfte im Interesse aller Beteiligten sein und ist die Folge davon, dass vorübergehend keine Versammlungen stattfinden und keine Bestellungsbeschlüsse gefasst werden können.

Nach der amtlichen Begründung soll die Vorschrift aber auch noch einen weiteren Fall erfassen. Sie soll nämlich auch dann gelten, wenn die Amtszeit des Verwalters zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift bereits abgelaufen war. Diese Anordnung kann im Einzelfall noch zu Problemen führen. Ich denke etwa an den Fall, dass ein Verwalter sein Amt niedergelegt hatte, an den Fall, dass die Wohnungseigentümer diesen Verwalter nicht mehr wollten und die Bestellung daher auslaufen ließen oder den Fall, dass die Wohnungseigentümer keinen Verwalter mehr wollten. Soll dann die zuletzt bestellte Person dennoch zum Träger des Verwalteramtes werden? Es fragt sich auch, ob eine Person überhaupt gegen ihren Willen durch den Gesetzgeber in ein Amt gehoben werden kann.

Im Übrigen wurde nicht geregelt und leider auch kein Hinweis gegeben, was für den Verwaltervertrag gilt. Nach Sinn und Zweck der Regelungen wird man aber wohl annehmen müssen, dass auch der Verwaltervertrag nicht endet und sich jedenfalls bis zum Ende der Bestellung fortsetzt.

8. Gelten bereits genehmigte Wirtschaftspläne fort?

Wie ich bereits zur Abrechnung erwähnt habe, hat der Gesetzgeber mittlerweile angeordnet, dass der zuletzt von den Wohnungseigentümern beschlossene Wirtschaftsplan bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans fort gilt. Diese Fortgeltung spielt dort eine Rolle, wo die Fortgeltung des konkreten Wirtschaftsplans des Vorjahres oder eines Vorjahres nicht bereits von den Wohnungseigentümern beschlossen wurde. In professionell verwalteten Wohnungseigentumsanlagen dürfte dies in der Regel nicht der Fall sein. Anders kann es aber z.B. bei selbstverwalteten Objekten sein.

9. Kann der Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage weiterhin Maßnahmen zur Erhaltung des Objekts ergreifen?

Ja, selbstverständlich. Dabei muss man aber unterscheiden. Da sind zum einen die laufenden Maßnahmen der erforderlichen ordnungsmäßigen Instandhaltung und Instandsetzung (§ 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WEG). Hier ist der Verwalter im Grunde sehr frei, in dem was er tut. Anders ist es bei in „dringenden“ Fällen zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG). Hier kann der Verwalter nur die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Beispiele für solche eiligen Fälle sind etwa ein Gasleck, ein Leitungsbruch oder eine schadhafte Versorgungs- oder Abwasserleitung. § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG deckt freilich nur solche Maßnahmen ab, die im Rahmen einer ordnungsmäßigen Verwaltung eine Gefahrenlage für das gemeinschaftliche Eigentum beseitigen, nicht aber solche, die der dauerhaften Behebung der Schadenursache dienen. Die Bestimmung des § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG erlaubt mithin nur Sicherungsmaßnahmen. Das ist aber auch völlig ausreichend.

10. Welche Regelungen sind im kommenden Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz vorgesehen? Hat die Corona-Pandemie darauf Auswirkungen?

Die Bundesregierung hat ungeachtet der Corona-Pandemie am 23. März 2020 ihren sehr beachtlichen Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz – WEMoG) vorgelegt. Wird dieser Entwurf Gesetz, wird er etliche Zöpfe abschneiden und das WEG zu einem modernen und zukunftsfähigen Gesetz machen. Die Einzelheiten sind so zahlreich, dass sie hier nicht einmal kursorisch dargestellt werden können. Insoweit nur der wichtigste Punkt: Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und ihr Organ, der Verwalter, wird deutlich gestärkt und künftig Dreh- und Angelpunkt bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums sein.

Was eine Pandemie angeht, sind nach den Planungen keine bedeutsamen Änderungen geplant. Dies ist aber auch nicht nötig. Während etwa das bisherige WEG dem Verwalter in seinem § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 erlaubt, die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung eines „sonstigen“ Rechtsnachteils erforderlich sind und damit sein Notgeschäftsführungsrecht in Krisenzeiten deutlich macht und ausreichend ausgestaltet, soll es § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG künftig erlauben, dass der Verwalter die Maßnahmen trifft, die zur Abwendung eines Nachteils erforderlich sind. Hier ist kein großer Unterschied zu erkennen. Im neuen Recht wird allerdings ggf. noch deutlicher, dass der Verwalter alle Nachteile – also nicht nur Rechtsnachteile – von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und also den Wohnungseigentümern abwenden darf und muss. Die von mir bereits erwähnten § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WEG und § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG werden im Übrigen auch in § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG bzw. im allgemeineren § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG aufgehen. Auch hier ändert sich also nichts.

Herauszustreichen ist ggf. noch, dass der geplante § 9b Abs. 1 WEG, nach dem die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch den Verwalter vertreten wird, es dem Amtsträger im Verbund mit § 27 Abs. 1 WEG sehr erleichtern wird, das Notwendige zu verlassen. In Bezug auf Notfälle wäre es freilich hilfreich, wie von mir auch schon zuvor angetippt, in den jetzt anstehenden Beratungen die Fassung des § 23 Abs. 3 WEG zu schriftlichen Beschlüssen nochmals anzugehen.

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